Wolf gay berlin
Sein Wohnzimmer ist der Wintergarten, hier findet auch seine nächste Burlesque-Show statt. Er gehört zu Deutschlands bekanntesten und erfolgreichsten Travestiekünstlern. Dabei ist Wolf Teichert, so der bürgerliche Name, in der deutschen Travestie- und Drag-Szene ein Unikat, das aus allen Klischees fällt.
Wolf, der seit 18 Jahren als Sheila Wolf unterwegs ist, ist heterosexuell, mit einer Frau verheiratet und hat eine erwachsene Tochter. Dort findet im März seine nächste Burlesque-Show statt. Drag Queen oder Travestiekünstler: Sheila Wolf, wie würden Sie sich bezeichnen?
Das ist eine gute Frage, die meisten Leute sehen mich als Drag Queen. Gerade bei jungen Menschen ist dieses Wort eingeimpft — ich finde es aber mittlerweile so klischee-lastig. Früher nannte man das Travestiekünstler oder Frauendarsteller. Ich bezeichne mich gerne als Frauendarsteller, da bin ich wohl etwas retro.
Wenn man die jungen Drag Queens aus der Gay-Community fragt, dann lehnen sie den Begriff Frauendarsteller ab, sehen ihn sogar als Beleidigung. Ich finde, dass der Begriff Drag Queen mittlerweile inflationär gebraucht wird. Wenn sich jeder Hans eine Perücke aufsetzt, etwas Lidstrich zieht und sich dann als Drag Queen betitelt, ist das schwierig.
Ich finde, als Travestiekünstler oder Drag Queen muss man nicht immer die Überzeichnung der Frau betreiben. Man kann auch einfach eine weibliche Kunstfigur darstellen, die vielleicht einen Hauch drüber ist — wobei das heute relativ ist. Für mich ist es eher eine Schauspielrolle, und die nehme ich sehr ernst und bereite mich auch darauf vor.
Wolf gay: was steckt hinter dem begriff, diskutiert in berlin?
Meine Erscheinung muss perfekt sein, das Styling muss passen, jedes Detail muss stimmen. Ich erlebe Queens, die hampeln auf der Bühne zu einem Mariah-Carey-Song herum, schwingen die Perücke hin und her und nennen es Performance. Das reicht auch für den Anfang auf der kleinen Club-Bühne, aber wenn man sich nicht weiterentwickelt, finde ich das zu wenig.
Meine Geburtsstätte war das Irrenhaus von Nina Queer. Es gab eine Bühne im Geburtstagsclub, da waren Melly Magic, Mataina, Gloria Viagra, Barbie Breakout und Stella DeStroy. Jede hatte ein Alleinstellungsmerkmal. Live-Singen, Tanzen, Comedy oder Playback-Lipsynch war dabei, und die waren damals meine Inspiration.
Später waren es dann eher internationale Burlesque-Künstler. Sie sind ein Spätzünder. Erst mit 34 Jahren sind Sie zur Travestie gekommen. Wie kam es dazu? Ich war leidenschaftlicher Rockabilly. Auf den Festivals habe ich die Mädels geliebt, wie sie mit tollen Kleidern und Petticoat herumgelaufen sind.
Auch meine Frau habe ich dort kennengelernt. Dann wurde meine Tochter geboren, ich habe eine Werbeagentur gegründet, dadurch ist diese Leidenschaft liegengeblieben. Ich fand das spannend und dachte mir, wenn der das kann, dann kann ich es auch: Dann habe ich mich selbst aufgedonnert und geschminkt, Fotos gemacht und in Foren für Gleichgesinnte hochgeladen.
Die Reaktionen waren ziemlich positiv.